3.1 - BIASED VS. UNBIASED RENDERING

Blender stellt mit Eevee und Cycles zwei Renderer zur Verfügung, die auf völlig unterschiedlichen Prinzipien beruhen und dementsprechend auch sehr verschiedene Ergebnisse liefern.

Eevee ist ein sogenannter biased Renderer. Wörtlich übersetzt bedeutet „biased“ so viel wie voreingenommen. In diesem Zusammenhang meint es, dass bestimmte Näherungen und Optimierungen eingesetzt werden, um die Berechnungen zu vereinfachen und die Renderzeiten deutlich zu verkürzen. Das Ziel ist es, eine hohe Bildqualität zu erreichen, ohne dabei jede Lichtinteraktion in allen Details zu simulieren.

Ein biased Renderer ersetzt komplexe physikalische Berechnungen durch Approximationen. Anstatt eine exakte Lösung für jeden Lichteffekt zu finden, wird eine vereinfachte Schätzung verwendet, die „gut genug“ ist, um glaubwürdige Ergebnisse zu liefern, aber wesentlich weniger Rechenleistung erfordert. Beim Rendering bedeutet das konkret: Lichtbrechungen, Reflexionen oder indirekte Beleuchtung werden nicht vollständig physikalisch korrekt nachgebildet, sondern nur angenähert. Der Vorteil liegt auf der Hand – Renderzeiten bleiben kurz und auch beim rendern von Animationen steht das Ergebnis nahezu in Echtzeit zur Verfügung.

Cycles verfolgt dagegen einen anderen Ansatz. Es handelt sich um einen unbiased Renderer. „Unbiased“ bedeutet in diesem Zusammenhang unvoreingenommen – die Software versucht also, den Weg des Lichts in einer Szene von der Quelle bis zur virtuellen Kamera so präzise wie möglich zu simulieren. Alle relevanten Interaktionen wie Reflexion, Streuung, Brechung oder Absorption werden physikalisch korrekt berücksichtigt.

Dieser Ansatz führt naturgemäß zu erheblich aufwendigeren Berechnungen. Je komplexer die Szene, je vielschichtiger die Materialien und je differenzierter die Lichtführung, desto mehr Rechenzeit ist erforderlich. Das Ergebnis sind Renderings, die in ihrer Genauigkeit und Realitätsnähe kaum zu übertreffen sind – allerdings um den Preis deutlich längerer Renderzeiten im Vergleich zu einem biased Renderer wie Eevee.

Wer also auf maximale Geschwindigkeit und eine schnelle Vorschau angewiesen ist, wird mit Eevee arbeiten. Wer jedoch absolut fotorealistische Ergebnisse erzielen möchte, kommt an einem unbiased Renderer wie Cycles nicht vorbei.

Immer wieder hört man in der Praxis den Vergleich zu anderen Render-Engines wie Corona oder Octane, denen nachgesagt wird, noch realistischere Ergebnisse zu liefern als Cycles. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Rein physikalisch betrachtet ist Cycles in der Lage, dieselbe Bildqualität zu erreichen. Der Unterschied liegt vielmehr in der Handhabung: Renderer wie Corona oder Octane sind von Beginn an auf fotorealistische Visualisierungen spezialisiert und liefern bereits mit den Standardeinstellungen beeindruckende Ergebnisse. Viele entscheidende Parameter sind dort von Haus aus so gesetzt, dass typische Szenarien automatisch realistisch wirken.

Bei Cycles hingegen erfordert es oft mehr Fachwissen und manuelle Anpassungen, um zum selben Ziel zu gelangen. Lichtquellen, Materialien, Sampling-Einstellungen oder Farbmanagement müssen gezielt abgestimmt werden. Wer bereit ist, sich mit diesen Grundlagen auseinanderzusetzen und ein tieferes Verständnis für die physikalischen Faktoren zu entwickeln, wird mit Cycles jedoch identische – und ebenso überzeugende – Resultate erzielen können.