3.7 - KAMERAS UND OBJEKTIVE

Objektive beeinflussen den Weg des Lichts auf den letzten Zentimetern vor dem Kamerasensor maßgeblich – und genau dieser Effekt sollte auch beim Rendering nachgebildet werden, wenn Ergebnisse wirklich fotografisch wirken sollen.

3.7.1 Depth of Field (Tiefenschärfe)

Selektive Schärfe ist ein zentrales Gestaltungsmittel für realistisch wirkende Renderings.

Kein Objektiv kann eine Szene von vorne bis hinten durchgehend scharf abbilden. Streng genommen existiert kein Schärfebereich, sondern nur eine Schärfeebene. 

Durch Abblenden – also die Verkleinerung der Blendenöffnung (hoher Blendenwert) – nimmt der Bereich zu, in dem wir die Aufnahme subjektiv als „scharf“ wahrnehmen. Physikalisch exakt liegt die Schärfe jedoch weiterhin nur in einer Ebene. Perfekt scharfe Aufnahmen „von vorn bis hinten“ sind nur durch technische Tricks wie Fokusstacking möglich und wirken deshalb im Rendering oft künstlich und unnatürlich.

Renderings profitieren enorm von einer realistischen Tiefenschärfe. Eine sorgfältig gesetzte Fokusebene lenkt den Blick auf das Wesentliche und verleiht der Aufnahme gleichzeitig räumliche Tiefe. Daher lohnt es sich fast immer, Depth of Field bewusst einzusetzen.

So wird es in Blender umgesetzt:

  • In den Kamera-Properties die Option Depth of Field aktivieren.
  • Danach den Fokuspunkt festlegen:
    • Über Focus on Object lässt sich ein Objekt direkt per Pipette anklicken. Diese Methode ist allerdings ungenau, da der Fokuspunkt meist im geometrischen Mittelpunkt des Objekts landet.
    • Über Focus Distance kann der Abstand zwischen Kamera und Fokusebene numerisch eingegeben werden. Praktischer ist jedoch die visuelle Kontrolle: Im Tab Viewport Display → Show Limits aktivieren. Entlang der Kameraachse erscheint dann ein Kreuz, das die Fokusebene markiert und per Maus verschoben werden kann.
    • Komfortabler ist das Add-on Photographer, das eine präzise Pipette für den Fokuspunkt bietet.

Blendenwerte in Blender:

Blender erlaubt theoretisch Blendenwerte bis hinunter zu 0. Ein Wert von 0 bedeutet, dass das Bild vollständig unscharf wird – physikalisch gibt es so etwas nicht. In der Realität liegen Anfangsblenden gängiger Objektive meist zwischen f/1.2 und f/4. Extrem lichtstarke Spezialobjektive, wie das Leica Noctilux (f/0.95) oder ein NASA-Objektiv mit f/0.75, sind absolute Ausnahmen.

Daher gilt für realistische Renderings: Werte unter f/1 führen fast immer zu einem künstlichen, überzeichneten Look. Es ist besser, sich an der klassischen internationalen Blendenreihe zu orientieren (1 – 1.4 – 2 – 2.8 – 4 – 5.6 – 8 – 11 – 16 – 22 – 32). 

Bokeh und Blendenlamellen

Ein weiterer Faktor ist die Form des Bokehs. Diese wird durch die Blende des Objektivs bestimmt:

  • Über den Parameter Blades lässt sich die Anzahl der Blendenlamellen einstellen. Wenige Lamellen führen zu kantigen Unschärfescheibchen, viele Lamellen erzeugen runde Bokeh-Kreise.
  • Mit Rotation wird die Ausrichtung der Lamellen verändert.

Besonders in Szenen mit vielen punktförmigen Lichtquellen (z. B. Lichterketten, Stadtlichter) tragen diese Details entscheidend zum realistischen Eindruck bei.

3.7.2 Abbildungsfehler (Lens Aberrations)

Selbst die besten Objektive sind nicht perfekt. Jedes Glas produziert optische Fehler – manche minimal, andere stärker sichtbar. Für das menschliche Auge sind diese Fehler oft kaum wahrnehmbar, doch unbewusst prägen sie den Look einer Aufnahme. Im Rendering sind sie ein entscheidendes Mittel, um sterile Perfektion aufzubrechen und eine Aufnahme „echt“ wirken zu lassen.

Die wichtigsten Abbildungsfehler, die sich in Blender über den Compositor simulieren lassen:

  • Vignettierung: Randbereiche des Bildes sind leicht abgedunkelt.
  • Randunschärfe: Besonders zu den Bildecken hin nimmt die Schärfe ab.
  • Chromatische Aberration: Farbsaum an harten Kontrasten (rot, grün, blau). Lässt sich mit dem Lens-distortion Node nachahmen.
  • Streulicht / Lens Flares: Lichtquellen erzeugen Reflexionen im Inneren des Objektivs.
  • Bokeh-Charakteristik: Die Art, wie Unschärfekreise aussehen.

Physikalisch beruhen die meisten Fehler darauf, dass Lichtstrahlen unterschiedlicher Wellenlängen unterschiedlich stark gebrochen werden. Strahlen, die weiter vom Zentrum der Linse eintreten, ändern ihre Richtung stärker, wodurch Farbverschiebungen und Unschärfen entstehen.

Wichtig: In der Realität werden diese Fehler durch hochwertige Optiken stark reduziert. Sie dürfen also auch im Rendering nur subtil eingesetzt werden. Ein zu starker Vignettierungseffekt oder übertriebene Farbsäume wirken sofort künstlich. Die Kunst besteht darin, den Effekt gerade so einzusetzen, dass er unbewusst wahrgenommen wird, ohne ins Auge zu stechen.

3.7.3 Filmsimulation – der analoge Look

Genau wie optische Fehler tragen Filmsimulationen dazu bei, digitale Renderings weniger ‚klinisch‘ wirken zu lassen. Neben der Optik beeinflusst auch das Aufnahmematerial den Charakter einer Fotografie. In der analogen Zeit hatte jeder Filmtyp seine eigene Handschrift. Hier ein paar Beispiele:

  • Kodak Portra war bekannt für warme Hauttöne und sanfte Kontraste.
  • Fuji Velvia für satte, kräftige Farben und eine leichte Kühle.
  • Ilford HP5 für seinen grobkörnigen, kontrastreichen Schwarzweiß-Look.

In der digitalen Fotografie versuchen RAW-Konverter und Presets/LUTs, diese Looks zu imitieren. Auch in Blender lässt sich dieser Ansatz umsetzen – vor allem über den Compositor. Dort können Farbkurven, Kontrast und sogar Kornstrukturen hinzugefügt werden, um Renderings den Charakter eines bestimmten Films zu verleihen.

Die Simulation von Kameraeigenschaften ist ein entscheidender Baustein auf dem Weg zu fotorealistischen Renderings. Tiefenschärfe, Bokeh, leichte Abbildungsfehler und Filmsimulation sind keine Nebensächlichkeiten – sie machen den Unterschied zwischen einem technisch perfekten 3D-Bild und einem Rendering, das wie eine echte Fotografie wirkt.