3.3 - FARBTIEFE UND DYNAMIKUMFANG

Wer ein fotorealistisches Rendering erstellt, bewegt sich zwangsläufig im Spannungsfeld zwischen den technischen Möglichkeiten der Software und den physiologischen Grenzen unseres eigenen Sehens. Ein entscheidender Aspekt dabei ist die Frage: Wie viele Farb- und Helligkeitsabstufungen können überhaupt dargestellt werden – und wie lassen sie sich so umsetzen, dass das Ergebnis auf uns „natürlich“ wirkt?

Blender arbeitet intern mit einer Farbtiefe von 32 Bit pro Kanal. Das bedeutet, dass theoretisch Abermillionen feinster Farb- und Helligkeitsabstufungen berechnet werden können – weit mehr, als unser Auge oder ein Ausgabemedium überhaupt unterscheiden könnte. Damit ist die Grundlage für extrem präzise Berechnungen gelegt. Die eigentliche Herausforderung liegt nicht im „Zuwenig“ an Information, sondern in der Übersetzung: Wie lassen sich diese gewaltigen Datenmengen sinnvoll in einen Ausgabefarbraum übertragen, sei es für die Bildschirmdarstellung, für den Druck oder für die Weiterbearbeitung in anderen Programmen?

Hier kommt der Dynamikumfang ins Spiel. Unser Sehvermögen ist in der Lage, unter optimalen Bedingungen einen Dynamikumfang von bis zu 20 Blendenstufen wahrzunehmen. Moderne Digitalkameras erreichen immerhin 12 bis 14 Blenden – ein Bereich, der bereits als beachtlich gilt. Damit eine computergenerierte Szene als „realistisch“ wahrgenommen wird, sollte sie in etwa denselben Dynamikumfang abbilden können. Doch hier stößt das standardmäßige Farbmanagement von Blender an Grenzen: Mit der klassischen sRGB-Ausgabe können lediglich rund 8 Blendenstufen differenziert dargestellt werden. Das führt dazu, dass in sehr hellen oder sehr dunklen Bildbereichen wichtige Details verloren gehen – Bilder wirken flach, überstrahlt oder unnatürlich kontrastarm.

Um dieses Problem abzufedern, wurde das Filmic-Profil eingeführt. Es bietet eine Transformation der Tonwerte, die den Dynamikumfang deutlich erweitert und das Verhalten von Filmmaterial nachahmt. Damit lassen sich Renderings erzeugen, die wesentlich plastischer und differenzierter wirken als mit dem sRGB-Standard. Allerdings bringt Filmic in der Praxis immernoch  Einschränkungen mit sich. Insbesondere in sehr hellen Bereichen bleibt die Farbwiedergabe oft unnatürlich gesättigt, wodurch der Eindruck einer realistischen Szene verloren geht.

Die zentrale Frage lautet also: Wie geht Blender damit um, wenn der Motivkontrast den Dynamikumfang des gewählten Ausgabefarbraums übersteigt?

Die Antwort heißt AgX.

AgX ist – genau wie Filmic – ein Farbprofil, das die Tonwerte in den hellen Bereichen stark komprimiert. Sein Ziel ist es, den Übergang in Überbelichtungen so zu gestalten, wie wir ihn von analogem Filmmaterial oder von echten Kameras kennen. AgX geht dabei jedoch einen Schritt weiter: Es berücksichtigt, dass mit steigender Helligkeit die Farbsättigung im realen Leben zunehmend abnimmt. Wer schon einmal in grelles Sonnenlicht geblickt hat, kennt diesen Effekt – Farben wirken dort weniger intensiv und verlieren an Strahlkraft. Filmic bildet dieses Verhalten nur unzureichend ab, während AgX hier eine sehr viel natürlichere Umsetzung bietet.

Mit einem abbildbaren Dynamikumfang von bis zu 15 Blendenstufen eröffnet AgX die Möglichkeit, auch sehr kontrastreiche Szenen glaubwürdig darzustellen. Die resultierenden Renderings wirken nicht nur technisch korrekt, sondern auch organisch, beinahe selbstverständlich – so, wie wir es von einer echten Kameraaufnahme erwarten würden. Deshalb hat sich AgX mittlerweile als Standard für alle etabliert, die mit Blender fotorealistische Ergebnisse erzielen wollen.

Zur Veranschaulichung lohnt ein Blick auf konkrete Belichtungsreihen: In den folgenden Beispielen zeige ich, wie sich die Farbsättigung bei unterschiedlichen Belichtungen unter sRGB, Filmic und AgX verändert. Besonders deutlich wird dabei der Vorteil von AgX in den hellen Bildbereichen, in denen Farben natürlicher und harmonischer wiedergegeben werden.

Interessant ist auch ein Blick auf die Entstehungsgeschichte: Entwickelt wurde AgX von Troy Sobotka, einem Künstler und Farbmanagement-Spezialisten aus Los Angeles. Über Jahre hinweg stellte er das Profil kostenlos zur Verfügung, allerdings musste es zunächst manuell in Blender eingebunden und das bestehende Farbmanagement ersetzt werden – ein Schritt, den nur fortgeschrittene Nutzer gingen. Inzwischen ist AgX fester Bestandteil von Blender und kann direkt in den Einstellungen der Rendersettings aktiviert werden. Damit ist ein Werkzeug verfügbar, das sowohl technisch versierten Anwendern als auch Einsteigern erlaubt, Renderings auf ein neues Niveau zu heben.

ACHTUNG: Beim Export aus Blender ist dem Rendering kein Farbprofil zugeordnet. Um eine konsistente Farbdarstellung zu gewährleisten, ist es nötig in Photoshop unter „Bearbeiten“ \> „Profil zuweisen“ einen RGB-Arbeitsfarbraum, wie Adobe-RGB (1998) oder ECI-RGB zuzuweisen.